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Jede Gitarre ein Unikat, in dem bis zu 300 Stunden Handarbeit, viel Präzision und Hingabe zum Handwerk stecken. Wie Claudio Pagelli verwenden heute für die wichtigen Elemente fast alle führenden Instrumentenbauer europäisches Fichten-Mondholz.Foto: Sarah Sidler

Zeitschriften | Verband & PolitikLesezeit 2 min.

Instrumente aus Schweizer Mondholz: Musiker schwören darauf

Sie erzeugen einen wärmeren Ton, einen besseren Klang und halten Jahrzehnte lang. Instrumente, die mit europäischem Fichtenholz hergestellt werden, das in der kalten Jahreszeit in der richtigen Mondphase geschlagen wird, sind auf der ganzen Welt gefragt.

Sarah Sidler | Martin Gore von Depeche Mode, Billy Gibbons von ZZ Top, David A. Stewart von Eurythmics, aber auch Linard Bardill und Schmidi Schmidhauser sowie Musikliebhaber und Sammler spielen Claudio Pagellis Gitarren. Die zum Teil  weltberühmten Musiker schwören auf den herausragenden Klang sowie die Qualität seiner Instrumente. Unikate, welche der Gitarrenbauer in Chur gemeinsam mit seiner Frau Claudia herstellt. Während er die Instrumente baut, ist sie mitverantwortlich für das Design und kümmert sich um die Social-Media-Kanäle. Seit 45 Jahren baut der 66-Jährige Gitarren, seit 25 Jahren arbeitet er für die Schalldecken seiner akustischen und halbelektrischen Modelle ausschliesslich mit Bündner Mondholz von Jahrhunderte alten Fichten aus hohen Lagen. «Schweizer Mondholz überzeugt mich, weil Gitarrendecken aus zehnjährigem Mondholz genauso klangen, wie Holz, das ich vierzig Jahre lang lagerte. Es hat einen sehr lebendigen und perkussiven Klang.»

Als die Pagellis damit begannen, für die Schalldecken ihrer Gitarren Mondholz zu verwenden, war das noch kein Thema in der Welt der Gitarren. Ihren Kunden mussten sie trotzdem nichts erklären. «Wer bei uns bestellt, setzt sowieso allerbeste Qualität voraus», sagt der Gitarrenbauer. Die Erfolgsgeschichte von Pagelli Gitarrenbau nahm ihren Lauf, als der gelernte Klavierbauer aus dem Toggenburg (SG) und die gelernte Dekorationsgestalterin in den 1990er-Jahren begannen, mit den Traditionen im Gitarrenbau zu brechen. «Wir reizten unsere elektrischen Gitarren mit schrägen Modellen bis zum Gehtnichtmehr aus», erzählt Claudio Pagelli. 

Ihre akustischen Gitarren bauten sie zum Teil asymmetrisch. Die Schalllöcher sind in den Designs ihrer akustischen Modelle anstatt in der Mitte des Instruments auch einmal auf der Seite oder oben in Richtung des Halsansatzes  zu finden. Er sei ständig auf der Suche nach allem, was ihre Gitarren auch nur eine Spur besser mache. Darum verarbeitet er auch Mondholzfichte. Mit Erfolg: Heute stellt das Paar jährlich zwischen fünf und sechs Gitarren auf Bestellung her. Meist Unikate, in welchen bis zu 300 Stunden Handarbeit stecken. Etwa die Hälfte davon verkauft es ins Ausland. 

3800 Jahre altes Holz

Claudio und Claudia Pagelli zählten zu den ersten Kunden, als sie vor rund 25 Jahren Mondholz bei der Florinett AG in Bergün (GR) einkauften. Auch heute noch fährt der Gitarrenbauer regelmässig ins knapp eine Stunde entfernte Bündner Bergdorf, um die Teile für die Resonanzdecken aus Mondholz in der Werkstatt auszuwählen. «Ich höre bereits am Ton der Bretter für die Gitarrendecken, welche sich für unsere Instrumente eignen.» Verwendet er für den restlichen Teil des Instruments anderes einheimisches Holz – etwa Ahorn – bezieht er auch dieses oft von Geschäftsführer Andrea Florinett. Während die Decke immer aus Fichten-Mondholz besteht, kommen bei Pagellis Modellen bis zu 80 verschiedene Hölzer aus der ganzen Welt zum Einsatz. Sein ältestes Holz stammt von einer 3800 Jahre alten Huon-Pinie aus Tasmanien. Es wartet aber noch auf das richtige Projekt. 

Eine von tausend

Seit 2002 stellt der gelernte Forstwart und Geschäftsleiter Andrea Florinett in seinem gleichnamigen Forstunternehmen unter dem Verkaufslabel Tonewood Switzerland Klangholz her. Eines Tages wurde ihm bewusst, dass sein bestes Mondholz meist in Deutschland zu Klangholz verarbeitet wird. «In der Entwicklung der Instrumente hat sich im Laufe der Jahrhunderte aufgrund ihrer klanglichen Eigenschaften vor allem die Europäische Fichte bewährt. Diesen Vorteil wollten wir uns selbst zunutze machen», sagt er. Das Bündner Unternehmen ist inzwischen in der Lage, alle Verarbeitungsschritte für Klangholz betriebsintern durchzuführen, da die Florinett AG aus den drei Betriebsteilen Forstbetrieb, Sägerei und Klangholz-Werkstatt besteht. Zur Verarbeitung stehen spezialisierte, teilweise selbst entwickelte Maschinen bereit. Um das Holz technisch altern zu lassen, kommt ein hochpräziser Trocknungsofen zum Einsatz. «Dadurch wird das Holz leichter, und die Schallgeschwindigkeit erhöht sich um bis zu zehn Prozent.»

Die Firma stellt Teile für Gitarren, Geigen, Cemballi und Harfen her, um nur einige Instrumente zu nennen. Am meisten werden Klangdecken für Gitarren und Geigen bestellt. Ein Geigenbauer beschreibt auf der Website von Tonewood Switzerland die Vorteile des Mondholzes folgendermassen: «Das Holz liess sich sehr leicht verarbeiten. Die entstandene Geige möchte ich als ausgesprochen gelungen bezeichnen, der Ton ist sehr klar und mit viel Brillanz und Wärme. Auffallend ist, dass ich diese Geige nur einmal nachregulieren musste, was ich auf das ruhige Verhalten des Mondholzes zurückführe.»

Vom Bergdorf in Grossstädte 

«Ich bin total fasziniert vom Klangholz», sagt Andrea Florinett. Nur einer von tausend Stämmen eignet sich dafür. Die Klangfichten wählt er in Höhenlagen zwischen 1300 und 2000 Metern über Meer persönlich aus. Die geeignetsten Exemplare wachsen an nährstoffarmen, langsam wüchsigen, meistens nordorientierten kühlen Lagen mit kurzer Vegetationsperiode. Kleine Mulden oder lokale Flachlagen tragen spannungsfreie Einzelbäume. Diese sind in gut abgestuften Naturbeständen aufgewachsen, wo sehr gleichmässig und zurückhaltend durchgeforstet wurde. Dadurch besitzen sie eine schmale, den Stamm umhüllende Krone aus feinen Ästen. 

Klangfichten weisen einen Durchmesser von rund 55 Zentimetern auf, was einem Alter von mindestens 200 Jahren entspricht. Für die Verwendung im Musikinstrumentenbau werden die höchsten Qualitätskriterien für Holz berücksichtigt. «Wir verwenden zum grössten Teil Mondholz. Wenn wir die Bäume fällen, dann richten wir uns fix nach dem Mondkalender von Maria Thun. Der Baum muss im letzten Viertel vor Neumond in der Saftruhe sein. Die Gewinnung dieses Holzes erfolgt ausschliesslich in der Winterzeit», so Andrea Florinett. Nachdem sie möglichst schonend gefällt worden sind, werden die Stämme im Winter rasch abtransportiert. Das Mondholz liegt eingeschnitten bis zu zwei Jahre im Lager, bevor es verkaufsfertig ist.

Rund 220 bis 250 Stämme verarbeiten die fünf Mitarbeitenden jährlich zu Klangholz. 25 Prozent des Umsatzes macht der Forstbetrieb inzwischen mit der Sägerei und der Herstellung des Instrumentenholzes. Die Arbeit von Andrea Florinett hat sich in diesen Jahren stark verändert. Um auf seine Klanghölzer aufmerksam zu machen, ist er weltweit auf Messen unterwegs. Inzwischen exportiert die Florinett AG ihr Klangholz in 65 Länder.

Ein Tal nebenan, in Alvaneu (GR), ist auch der Instrumentenbauer und Musiker Beat Kollegger von der Qualität von Bündner Mondholz  überzeugt. «Instrumente aus einheimischem Klangholz tönen besser, verfügen über eine herausragende Festigkeit und halten länger als solche aus herkömmlichem Holz», sagt der Inhaber des Musikhauses Kollegger in Davos (GR). Jedes Jahr stellt er mit seinen beiden langjährigen Mitarbeitern zwischen 20 und 30 Alphörner aus Mondholz her. Auch beim Bau ihrer Schwyzerörgeli setzen die Instrumentenbauer eigenes Mondholz ein. 

Um an geeignete Fichten und Rottannen zu gelangen, stapft Beat Kollegger jedes Jahr Anfang Winter mit einem Förster – ausgerüstet mit Schneeschuhen – an die Waldgrenze, um seine Klangfichten auszuwählen. «Je höher der Baum wächst, desto feiner sind seine Jahrringe. Das ist wichtig, weil feinjähriges Nadelholz über grössere Festigkeit verfügt und besser tönt. Nicht umsonst werden weltweit bei anspruchsvollen Saiten- und Tasteninstrumenten praktisch alle Resonanzdecken aus gleichmässig gewachsenem und feinjährigem Fichtenholz gefertigt.» 

Der Baum wird nach dem forstwirtschaftlichen Mondkalender zum richtigen Zeitpunkt geschlagen und mitsamt den Ästen während einiger Wochen mit dem Wipfel nach unten liegen gelassen. Bei dieser Hanglage verstärkt die Schwerkraft den Saftstrom vom Stamm in die Baumkrone. Nach einigen Wochen werden die Stämme per Helikopter zum nächstgelegenen Lagerplatz geflogen, wo sie entastet, entrindet und nochmals vom Instrumentenbauer begutachtet werden. Damit keine Trockenrisse entstehen, wird das Holz baldmöglichst in die Sägerei transportiert und zu Blockbohlen eingeschnitten. Mittels des sogenannten Streichholztests eruiert Beat Kollegger, ob sich die ausgewählten Stämme für seine Instrumente tatsächlich eignen: «Je besser und lauter man das feine Klopfen mit dem Streichholz durch den Stamm hört, desto eher eignet er sich für das gesuchte Klangholz.» 

Über diese und viele weitere Themen lesen Sie in der neuen Ausgabe von «WALD und HOLZ».

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