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Das erste Anzeichen der Krankheit sind unregelmässige Farbveränderungen der Blätter. Foto: H. Lenz/Waldwissen.net

ZeitschriftenLesezeit 4 min.

«Es tut uns weh, die stattlichen Bäume fällen zu müssen»

15 Jahre schon wütet das Eschentriebsterben in unseren Wäldern. Der aus Asien eingeschleppte Pilz stellt Förster wie Werner Stocker aus Baar vor grosse Herausforderungen. Trotzdem gibt es auf dem Markt kein Überangebot an Eschenholz, die Preise bleiben stabil.

Sabine Vontobel* | Die Bilder sind zuweilen erschreckend. In vielen Regionen müssen hochgewachsene Eschen aus Sicherheitsgründen gefällt werden. So geschah es etwa diesen Frühling an einer vielbefahrenen Kantonsstrasse in Bremgarten (AG), wo rund 17 Bäume der Säge zum Opfer fielen.  Was von aussen wirken mag wie ein brutaler Kahlschlag, hat seine triftigen Gründe. Die Eschen sind krank, befallen von einem in den 1990er-Jahren aus Ostasien nach Europa eingeschleppten Pilz. Befinden sich die stark befallenen Bäume in der Nähe von Strassen, Waldwanderwegen oder wichtiger Infrastruktur, müssen sie weg. Damit wird seit rund 15 Jahren zum Teil nicht unerheblich in den Schweizer Wald eingegriffen. Und dies wird vermutlich 
so bleiben.

«Wir haben bereits 2010 mit der Reduktion der Eschen begonnen», bestätigt Christoph Schmid, Leiter des Forstbetriebs Mutschellen im Kanton Aargau. «Unser Betrieb wies 2004 noch einen Eschenanteil von 28 Prozent aus. In der aktuellen Planung haben wir gerade noch 7%. Wir sind mit diesen hohen Zahlen sicher ein Spezialfall und kaum exemplarisch fürs Mittelland.» Die Situation habe sich in seinem Betrieb in den letzten Jahren sogar noch verschlimmert. Früher seien die Eschen von der Krone her abgedorrt. Heute seien sie stark am Stammfuss befallen, und man könne ihrem Sterben richtiggehend zusehen. «Wir müssen vermehrt auch Privatwälder angehen, weil durch umfallende oder hängende Bäume sowie durch herabfallende Äste ein erhebliches Sicherheitsrisiko für Passanten besteht», so Schmid weiter. Lange Zeit sei es schwierig gewesen, die Besitzer von Privatwäldern von der Wichtigkeit dieser Eingriffe zu überzeugen, weil die Bäume von blossem Auge relativ gesund aussahen. «Seit die Eschen allerdings von allein umfallen, ist die Überzeugungsarbeit weniger aufwendig», sagt Schmid.

Das Verständnis eines Teils der Bevölkerung ist laut Christoph Schmid aber nach wie vor gering – wohl auch aus Mangel an gezielter Information. «Die Leute greifen uns auf verschiedenste Art und Weise an, weil wir oft ganze Waldpartien entfernen müssen.» Nicht zu unterschätzen sei auch die emotionale Ebene. «Bestände, die wir jahrelang gehegt und gepflegt haben, fallen aus. Es tut auch uns Forstleuten weh, dem zusehen zu müssen. Wir sind machtlos, und es ist ganz und gar nicht motivierend, so zu arbeiten», erklärt der Förster. Hinzu kommt, dass die kranken Bäume auch ein Sicherheitsrisiko für die Waldarbeiterinnen und Waldarbeiter darstellen. «Es gibt zum Beispiel Hänger oder Dürrholz. Beides ist sehr gefährlich und kann von Lernenden nicht mehr bearbeitet werden. Oft können wir die Bäume auch nicht mehr dorthin fällen, wo wir das wollen, weil sie zu früh abbrechen.»

Im Kanton Aargau wird heute bei der Durchforstung auf andere Baumarten gesetzt. In jüngeren Beständen werden die Eschen stehen gelassen, in der Hoffnung, dass möglicherweise einzelne Bäume die Pilzattacke schadlos überstehen. «Im gesamten Aargauer Wald ist der Eschenanteil mit 4 % eher gering», sagt Schmid. Schade sei jedoch, dass in fichtenreichen Wäldern versucht wurde, für eine optimale Durchmischung mit Esche, Buche oder Ahorn Laubholz einzubauen. Jetzt falle die Esche weg, was – speziell auf nassen Böden – zu einer Verarmung der Baumarten führe. 

Die Auswirkungen der Eschenkrankheit auf den Holzerlös im Kanton Aargau seien wohl eher gering, so Schmid. «Bisher können die Eschen noch gut als Sägereiholz verkauft werden. In den nächsten Jahren erwarten wir trotzdem eine höhere Mortalität, also Holz, das gar nicht mehr genutzt werden kann.» Im Betrieb von Christoph Schmid gab es Jahre, in denen bis zu 100 % Schadholz aus Zwangsnutzung angefallen sind. Im ganzen Kantonsgebiet belaufe sich die Zwangsnutzung in den letzten Jahren derweil auf etwa 50 %. Darin sind allerdings nicht nur Eschen enthalten. «Beim Anzeichnen der Bäume berücksichtigen die Förster vermutlich immer eine andere Baumart und entfernen vorweg die Esche. Ob dies jedoch stets als Zwangsnutzung deklariert wird, bleibt fraglich.»

Jährliche Zwangsnutzung gestiegen

Vom Eschentriebsterben sind so ziemlich alle Kantone des Mittellands betroffen. Dazu gehört auch der Kanton Zug, wo es vor allem in den Talgebieten relativ grosse Eschenbestände gibt. «Die Esche ist bei uns die häufigste Laubholzart. Sie macht auf dem Papier etwa 7 bis 8 % des Waldes aus», erklärt Walter W. Andermatt, ehemaliger Präsident von WaldZug sowie Präsident der Korporation Baar-Dorf. Effektiv habe sich der Bestand seit 2016 aber wahrscheinlich halbiert. Eine detaillierte Waldaufnahme, die derzeit in Arbeit ist, wird im Laufe der kommenden Monate ein konkreteres Bild zeichnen.

Im Prinzip sei der Standort Baar mit seinen frischen und feuchten Böden  für die Esche ideal, sagt auch der zuständige Förster, Werner Stocker. Seit 2016 müsse nun wegen des Eschentriebsterbens stark in den Wald eingegriffen werden. «Die Zwangsnutzung ist erheblich, äusserst aufwendig, und es tut uns selbst weh, die oft stattlichen Bäume fällen zu müssen», betonen Stocker und Andermatt unisono. Seit 2016 hat die jährliche Zwangsnutzung im Kanton Zug kontinuierlich von 2700 Kubikmeter auf rund 4000 Kubikmeter im letzten Jahr zugenommen.

In jedem Fall sei das Schlagen der kranken Bäume nötig, da die Sicherheit von Erholungssuchenden im Wald gefährdet ist. «Wir haben viel Erholungswald, der mit Wegen und Strassen gut erschlossen ist. Das heisst aber auch, dass sich zahlreiche Spaziergänger, Jogger, Pilzsucher oder Automobilisten und Velofahrer im und um den Wald aufhalten. Dass ihnen nichts passiert, hat natürlich Priorität», betont Andermatt. Auch in Baar seien die Reaktionen der Passanten auf die Baumschläge zuweilen negativ. «Wir versuchen über verschiedene Kanäle, mit den Leuten ins Gespräch zu kommen. Hierfür arbeiten wir eng mit der Gemeinde zusammen, organisieren Zusammenkünfte und Waldbegehungen oder informieren über die Medien», so Walter W. Andermatt.

Krankheit diktiert Waldpflege

Bisher könne das Eschenholz trotz Pilzbefall noch gut als Sägerei- und Energieholz verwertet werden, pflichtet Werner Stocker seinem Kollegen aus dem Aargau bei. Abnehmer seien genügend vorhanden. Von einem Überangebot und einem damit einhergehenden Preiszerfall sei derzeit jedenfalls nichts zu spüren. Man wende grundsätzlich dieselbe Strategie an wie beim Borkenkäferbefall. «Wir holen die Bäume früh genug heraus, damit das Holz noch nutzbar ist.» Aus rein wirtschaftlichen Überlegungen sei besagtes Prozedere nicht ideal, da der Aufwand der einzelnen Fällungen im Erholungswald kaum mit dem Ertrag zu decken sei. Zudem werde die Waldpflege sozusagen von der Krankheit diktiert. «Momentan machen die forcierten Holzschläge etwa einen Viertel der Gesamtzahl aus», so Stocker. In diesem Jahr habe sich die Situation – wohl aufgrund des Klimas und der Zunahme von Schädlingen – noch verschlimmert. Trotzdem stirbt die Hoffnung zuletzt: «Obschon es kein effizientes Mittel gegen das Eschentriebsterben gibt, sehen wir immer wieder Bäume, die resistent sind. Vielleicht findet die Natur ihren Weg, und die resistenten Bäume produzieren Nachwuchsbäume, denen es am Ende gelingt, den Bestand zu retten», so Walter W. Andermatt. 

Keine Schwemme von Eschenholz auslösen

Die Aussagen der Forstverantwortlichen decken sich mit den Beobachtungen der Holzmarkt-Experten. Trotz des Eschensterbens sind die Preise nicht unter Druck. «Der Anteil an Eschen auf dem Markt ist relativ gross und bewegt sich bei einem Anteil von rund 30 Prozent des Laubholzes», sagt Heinz Engler von Holzmarkt Ostschweiz. Dies werde voraussichtlich auch in den nächsten Jahren so bleiben. Man könne jedoch nicht von einem Überangebot sprechen. «Es ist eher so, dass unsere Kunden gerne noch mehr Esche hätten. Die hohe Nachfrage und der Gedanke, dass es diese Baumart bald nicht mehr geben könnte, treiben die Preise seit ein paar Jahren sogar eher leicht in die Höhe.» Bei der Esche handelt es sich um eine Baumart, die sehr gut zu bearbeiten und lange lagerfähig ist. Aus Esche werden laut Engler etwa Stiele für Werkzeuge, Möbel, Parkett oder Lamellen für verleimte Träger hergestellt. Die Produkte bewegen sich zwischen 100 und 350 Franken pro Festmeter. Brennholz wird zu etwa 60 bis 70 Franken pro Festmeter verkauft. Die Schweiz brauche zwar viel Esche für höherwertige Produkte, das meiste Holz gehe allerdings nach Italien. 

Engler würde den Försterinnen und Förstern keinesfalls raten, die Eschen jetzt möglichst schnell auf den Markt zu bringen. «Es sollen wirklich nur jene Bäume gefällt werden, die vom Eschentriebsterben stark betroffen sind und mit Blick auf die Sicherheit entfernt werden müssen. Auf diese Weise kommt immer etwas Esche auf den Markt, und es kommt zu keiner Überflutung.» 

Didier Wuarchoz, Direktor der Genossenschaft für Waldbesitzer und -betreiber La Forestière im Waadtland, sieht das ähnlich. «Es macht überhaupt keinen Sinn, nun vermehrt Eschen auf den Markt zu spülen. Es sollten wirklich nur die kranken Bäume genommen werden, also jene, die bei starken Windböen fast von allein umfallen würden.» Auch er beobachtet keine frappanten Preisschwankungen oder eine anormale Zunahme des Verkaufs von Eschenholz. «Laubhölzer mit grossem Umfang lassen sich allgemein besser verkaufen. Die Preise von Eschenholz liegen grob zwischen 120 und 200 Franken pro Kubikmeter. Das Holz wird aufgrund seiner gräulichen Farbe gerne für Parkettböden verwendet und zu einem Grossteil ins Ausland exportiert.» Es erstaune ihn selbst, so Wuarchoz, dass die Krankheit bisher kaum signifikant negative Auswirkungen auf den Preis zeige. «Eigentlich ist die Preistendenz von Esche in diesem Jahr eher gleichbleibend, wie bei den meisten anderen Laubhölzern auch», sagt er.

Den Eschen noch eine Chance geben

Die Baumkrankheit hat im Gegensatz zum Preis offensichtliche Auswirkungen auf den Wald. Die Forstverantwortlichen müssen Ersatzbaumarten finden, kranke Bäume schweren Herzens schlagen und um den Fortbestand der Art bangen. Auch Forschende nehmen sich des Themas seit Jahren an. Zu ihnen gehört Valentin Queloz von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL). Er glättet die Wogen und sagt: «Die Esche hat noch eine Chance. Wir treffen im Wald immer wieder scheinbar resistente Eschen an. Und mehr als 50 Prozent dieser schönen Bäume erweisen sich auch im Labor als resistent.» Dies übrigens nicht nur gegenüber dem Eschentriebsterben. Erste Versuche würden gewisse Kreuzresistenzen gegenüber dem Eschentriebsterben und dem Eschenprachtkäfer zeigen. An der WSL versuchen Forscherinnen und Forscher, resistente Eschen zu züchten. Eine gezielte Aufforstung von geeigneten resistenten Eschen könnte also das Fortschreiten beider invasiver Arten gleichzeitig ausbremsen. 

Gemäss Queloz findet derzeit kein flächendeckender Waldumbau statt. Die teilweise schweren Eingriffe scheinen höchstens punktuell zu sein und vereinzelte Gebiete zu betreffen. «Die Esche bildet selten allein Bestände und ist oft mit anderen Laubbaumarten gemischt. An solchen Standorten ist der Verlust von einzelnen Bäumen in der Regel unproblematisch.» Schwierigkeiten gebe es allerdings an den typischen feuchten Eschen-Ulmen-Standorten. «Dort haben wir in der Tat nicht viele Optionen für eine Verjüngung. Auch können diese freien Waldstandorte rasch durch Neophyten invadiert werden», weiss Queloz. 

Am stärksten von der Krankheit betroffen sind naturgemäss Kantone oder Regionen mit den grössten Eschenvorräten (der Jura oder das Mittelland). «Je dichter die Eschen stehen, desto grösser sind die Schäden. Gleichzeitig sind hohe Temperaturen und trockene Verhältnisse für den Pilz nicht optimal.» Im Tessin oder Wallis seien deshalb momentan weniger Schäden zu beobachten. «In diesen Gebieten ist der Pilz aber auch erst später angekommen», relativiert Queloz. Resistente Bäume finden sich derweil überall. «Momentan kann man nicht sagen, dass eine Provenienz besser wäre als eine andere.»

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